Wort zur Woche: "Siehste: Gott fährt Bus!"
23.12.2022
Wort zur Woche von Pröpstin Rebecca Lenz
Weihnachtserlebnisse müssen nicht unbedingt mit Tannenbäumen, Gänsebraten und Last Christmas von Wham! zu tun haben. Mein Weihnachtserlebnis war ein Bus. Ein knallgelber Linienbus, der durch die Landschaft rund um Eggebek fährt. Vorne ein roter Schriftzug: Wie sieht Gott aus? Uuups, das hätte ich auf einem Bus nicht erwartet. Ich gucke ein zweites Mal hin: Wie sieht Gott aus? Eine seltsame Frage in einer Welt, in der ich im Moment so wenig von Gott sehen kann. Ich sehe oft nur Krieg in Europa, Flüchtlinge in Notunterkünften und Menschenschlangen vor den Tafeln. Und dann fährt dieser Bus an mir vorbei. Durch die Fenster sehe ich die Köpfe von Menschen. Ein roter Pfeil unter einem der Fenster zeigt auf einen Jugendlichen mit riesigen Kopfhörern. So? steht unter dem Pfeil. Oder eher so? Ein zweiter Pfeil zeigt auf eine alte Dame mit Mütze. So! steht unter einem dritten Pfeil, der auf ein Mädchen weist, das versonnen mit dem Finger ein Herz auf die beschlagene Scheibe malt. So sieht Gott also aus: Wie du und ich! Und mir geht plötzlich auf: An Weihnachten geht es genau darum: Gott ist Mensch geworden in dem Kind in der Krippe, damit wir Gott in jedem Menschen entdecken können. Dann ist der Bus an mir vorbei gefahren und hinter der nächsten Kurve verschwunden. Aber das Bild geht mir nicht aus dem Kopf. Ich male mir aus, wie es wäre, wenn es bei jedem Menschen, der mir begegnen, einen solchen Hinweispfeil gäbe: So sieht Gott aus! Bei der Mutter, die mit einem schreienden Kind an der Supermarktkasse steht. Bei dem Beamten, der mir erklärt, dass leider schon wieder ein Zug ausgefallen ist. Bei meinem Alzheimer kranken Vater, der mich zum wiederholten Mal fragt, wann Weihnachten ist. Dann wird unsere Welt menschlicher werden, weil Gott mitten unter uns ist.
Ein gesegnetes Weihnachtsfest wünscht Pröpstin Rebecca Lenz