Krematorium im KZ Buchenwald (Foto: Christoph Tischmeyer)

Wort zur Woche: "Unverzichtbare Erinnerung"

29.01.2021

Wort zur Woche von Pastor Christoph Tischmeyer, Kirchengemeinden Tolk und Thumby-Struxdorf

„Für uns ist es unerträglich, wenn (…) wieder Rechtsextreme in den Parlamenten sitzen“, sagt Esther Bejarano am vergangenen Mittwoch, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Die bekannte Jüdin und Auschwitz-Überlebende, mittlerweile 96 Jahre alt, weiß, dass es zuerst die Sprache ist, die verroht.

Wir können es seit Jahren in Echtzeit erleben: Für den rauer werdenden Ton trägt die AFD eine erhebliche Mitverantwortung. Dadurch lassen sich einige Menschen anstacheln, zur (Gewalt-)Tat zu schreiten. Und das bekommen zuerst die Minderheiten in Deutschland zu spüren, auf die sich der Hass immer wieder konzentriert: Jüdische Mitbürger, Muslime oder Menschen, die offensichtlich eine andere Hautfarbe haben als die Mehrheitsgesellschaft. In der Regel sind diese Menschen Deutsche, hier geboren. Was sie in unserem Land zum Teil an Anfeindungen erleben, kann und sollte uns wütend machen – und parteiisch und mitfühlend mit denen, die angegriffen werden. Sie werden dafür angefeindet, dass sie da sind. Als wären sie ein Abziehbild, nicht Menschen mit einer je eigenen Geschichte, mit einem eigenen Charakter, manche religiös, manche bewusst nicht religiös. Hass lässt sich nur so lange aufrechterhalten, wie wir nicht den konkreten Menschen vor uns sehen. Sobald uns bewusst wird, dass wir einen Menschen treffen, der in vielem ist, wie wir selbst, behandeln wir ihn oder sie selbstverständlich mit Würde und Anstand. Das Gebot Jesu, des Juden, lautet: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Das kann man (mit Martin Buber) übersetzen mit: „Liebe deinen Nächsten, denn er ist wie du.“

Esther Bejarano sagt zu uns: „Ihr seid nicht schuldig für das, was damals geschehen ist. Aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr nichts davon wissen wollt.“ Die Erinnerung an das grausame Treiben und die fabrikmäßige Ermordung von ganzen Menschengruppen bleibt also unverzichtbar. Denn, nach einem Wort aus der jüdischen Tradition: „Das Vergessenwollen verlängert das Exil; das Geheimnis der Erlösung heißt: Erinnerung.“