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Wort zur Woche: "Verloren gehen"

01.07.2022

Wort zur Woche von Pastor Norbert Siemen, Ev.-Luth. Kirchengemeinde Glücksburg

Plötzlich war sie nicht mehr da. Ich lief im Kaufhaus hin und her. Ich hatte sie verloren. Panik machte sich breit. Ich rannte hinaus. Nirgends zu sehen. Viele Menschen hasteten durch die Straße. Aber meine Mutter sah ich nicht. Ich weinte. Passanten sprachen mich an. Ich lief weiter. Und dann hörte ich ihre Stimme. Hier bin ich! Sie hatte mich gefunden. Ich rannte zu ihr. Wütend. Wo warst du? Ich haute um mich. Ich war nicht zu beruhigen. Erleichterung kam nicht auf. Nur Wut. Ich habe dich überall gesucht. Du warst nicht mehr da.

Viele Jahre später. Ich stehe an der Kasse eines Brillengeschäfts. Mein kleiner Sohn neben mir. Ich bezahle. Dann will ich gehen. Wo ist er? Mein Sohn ist weg. Ich schaue um mich. Nicht zu sehen. Ich laufe zur Tür. Ist er hinausgegangen? Viele Menschen gehen an dem Geschäft vorüber. Meinen Sohn sehe ich nicht. Ich gerate in Panik. Zurück in den Laden. Haben Sie einen kleinen Jungen gesehen? Er stand eben noch neben mir. Achselzucken. Aufmunterung. Weit kann er nicht sein. Ich gehe durch ein Labyrinth von Ausstellungsvitrinen. Dort steht er. Vor einem Spiegel. Ich stelle mich hinter ihn. Er sieht mich im Spiegel. Lächelt. Ich bin erleichtert. Komm, lass uns weitergehen! Wir verlassen das Geschäft.

Verloren gehen. Eine Erfahrung des Lebens. Bindungen zu Menschen und die Orientierung im Leben können verloren gehen. Die Beziehung zu Gott kann verloren gehen. In der Bibel steht der Zuspruch: Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. Manchmal bleiben dennoch Wut und Verzweiflung. Aber dann auch wieder das Vertrauen. Ich denke an Worte des Apostels Paulus: Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Komm, lass uns weitergehen.