Foto: Johannes Ahrens

Wort zur Woche: "Vom Scheitern..."

20.01.2023

Wort zur Woche von Pastorin Silke Wierk, Ev.-Luth. Kirchengemeinde Harrislee

Da ist eine Ministerin, die quälend lange zu ihrem Rücktritt braucht, dann kommen dürre Worte der schriftlichen Erklärung. Natürlich ist es richtig und auch erleichternd, wenn eine Politikerin Verantwortung übernimmt. Gleichzeitig frage ich mich: Ob sie nun ihren Frieden hat? Ich würde es ihr wünschen. Weil es schwer ist, sich sein Scheitern einzugestehen.

Und weil mir sofort mein eigenes Scheitern einfällt. Ich denke an Menschen, die ich enttäuscht habe, wo ich falsche oder gar keine Worte gefunden habe. Aufgaben, denen ich nicht gewachsen war. Und es geht ja nicht nur mir so. Ich erlebe Menschen, denen gekündigt wurde, die den Traum ihrer eigenen Firma aufgeben müssen, obwohl sie sich so sehr angestrengt haben. Die aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen oder am Grab stehen und um das trauern, was nicht sein konnte.

Mir mein Scheitern eingestehen und weitermachen, ist Lebenskunst. Ich kann sagen: „Es war der Stress… es waren die anderen…andere tun Schlimmeres…“ Wirklich geradestehen für mich selbst oder für etwas, das ich gemacht habe, kann ich nur, wenn ich ahne, dass es Vergebung gibt. Ich brauche die Idee, dass nicht ich Frieden mache mit mir, sondern Gott. Also eine Instanz, die höher ist als ein Gerichtsurteil oder öffentliche Häme. Egal, ob ich meine Arbeit oder meine Stellung verliere: Da ist eine Instanz, die sieht mich sozusagen nackt, und sie sieht mich liebevoll an. Sie sagt nicht einfach: „Das kann doch jedem passieren“. Sie sagt: „Was du getan hast, ist falsch und du darfst leben“. Der Wert eines Lebens bemisst sich nicht nur in Erfolgen. „Und der Mensch heißt Mensch, weil er irrt und weil er kämpft, weil er mitfühlt und vergibt und weil er schwärmt und weil er glaubt.“ Das könnte aus der Bibel sein. Ist aber von Grönemeyer.