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Wort zur Woche: "Weihnachten, wie es noch nie wirklich war "

17.12.2021

Wort zur Woche von Pastorin Franziska Suhail, Ev.-freik. Gemeinde Schleswig

Weihnachten 2012. Mein erstes Weihnachten in der neuen Stadt. Als ich die Wohnung betrete, trifft es mich wie der Schlag. Da liegt er. Mein liebevoll ausgesuchter und gestern geschmückter Weihnachtsbaum. Inmitten zerbrochener Kugeln und zerquetsche Päckchen. Der Schock war groß, hatte ich mir doch ausgerechnet in diesem Jahr die Festtage so schön gewünscht, wo meine Familie endlich zu mir kommen wollte.

Ein umgekippter Baum, für mich mindestens so schlimm wie angebranntes Festtagsessen oder Stau auf der Autobahn zum großen Fest. Symbol für Weihnachten, das gehörig schief geht, obwohl doch ausgerechnet das perfekt sein soll. 

Ein Essen wie aus dem tollen Food-Blog, obwohl es unterm Jahr sonst nur für die Pizza oder die Spagetti reicht. Die gestylte Wohnung, obwohl mein Bett sonst nur gemacht wird, wenn ich mal Langeweile habe. Eine fröhliche Runde mit Menschen, mit denen es an den restlichen 364 Tagen nicht immer so klappt. Weihnachten, wie es noch nie wirklich war.

Vielleicht war es genau dieser Perfektionismus, der den Baum hat in die Knie gehen lassen: weil der Christbaumständer unpassend war, oder es doch zu viel Lametta war. Weil ich einfach zu viel wollte.
In diesem Jahr bin ich etwas bescheidener beim schmücken des Baumes und ich wünsche mir, dass ich nicht so viel Angst davor habe, dass etwas schief geht.

Vielleicht muss Weihnachten gar nicht so perfekt sein. Das erste Weihnachten war es ja schließlich auch nicht. 
Gott sucht sich einen versifften Stall, mit Stroh und Schafskacke, aus – mitten hinein in ungeklärte Familienverhältnisse, in einer Welt, die alles andere als perfekt ist – um Mensch zu werden.
Ich merke, Weihnachten heißt doch eigentlich: Wenn ich ganz unten bin, dann bin ich genau dort, wo Gott zur Welt gekommen ist – dort bin ich nicht allein gelassen.