Wort zur Woche: "Weite kurze Wege"

20.05.2022

Wort zur Woche von Johannes Ahrens, Stadtpastor in Flensburg

Der Moment, in dem Dir siedend heiß einfällt: Das Referat ist ja schon morgen früh, zweite Stunde! Es gibt Zeiten, da hast Du andere Interessen als Erdkunde. Schlagartig war mir klar: Das ist auch mit Nachtsitzung nicht zu schaffen. Nie und nimmer. Für die Jüngeren: Internet gab´s noch nicht. Aber ich kannte jemanden, der sich besser auskannte als Wikipedia heute: Meinen Vater. „Entwicklungspolitik heute“ konnte er dank jahrzehntelanger eigener Erfahrungen jederzeit zu nahezu jedem beliebigen Kontinent aus dem Stand vortragen.

Der Weg in sein Arbeitszimmer kam mir an dem Nachmittag weiter vor als sonst. Als er mein Gesicht sah, wußte er sofort, dass etwas los war. Also fragte er: „Was ist los?“ So sind Eltern. Jedenfalls manchmal. Wenn Du Glück hast. Noch bevor du etwas gesagt hast, wissen sie, dass du etwas auf dem Herzen hast. Ich erzählte, vermutlich etwas stockend und stotternd. Mein Vater öffnete die Schublade seines Schreibtisches, entnahm den ersten Bogen Papier und spannte ihn in seine Schreibmaschine. Kurzes Briefing meinerseits, was zuletzt im Unterricht passiert war. Dann rieb er sich - wie immer, kurz bevor er loslegte - die Hände, murmelte etwas wie „herrliches Thema“ und los klapperte die alte Schreibmaschine. Wegen der „2“, mit der sein spontanes Werk später bewertet wurde, war er etwas beleidigt. Ich hingegen heilfroh.

Dieser Sonntag heißt „Rogate“ und ermutigt zum Bitten und Beten. Und dazu, allen Mut zusammenzunehmen. Denn Gott gleicht Eltern in ihren besten Momenten. Sagt Jesus.

P.S.: Hast Du schon mal jemanden um etwas gebeten? Wenn Du magst: Teile Deine Geschichte, und sende sie per mail an stadtpastor.flensburg@kirche-slfl.de oder poste sie unter #bittetsowirdeuchgegeben