Nie Wieder ist jetzt

29.01.2025

Zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar 2025 Warum gibt es diesen Gedenktag bis heute?

Vor 80 Jahren, am 27. Januar 1945, haben Soldaten der Roten Armee die Konzentrationslager von Auschwitz (heutiges Polen) befreit. Mehr als eine Million Menschen hatten die Nazis allein dort ermordet. Die meisten der Opfer waren Juden, die die Deutschen gleich nach ihrer Ankunft in Auschwitz mit Giftgas ermordeten, ihre Leichen wurden verbrannt. Andere Insassen des Konzentrationslagers wurden zu Tode gefoltert, viele mussten arbeiten, bis sie vor Entkräftung und Hunger starben. Auschwitz war die größte "Todesfabrik" der Nationalsozialisten. Insgesamt wurden in der Zeit des Nationalsozialismus sechs Millionen Juden ermordet. Das ist zwei Mal die heutige Gesamtbevölkerung von Schleswig-Holstein, jedes Leben eines wie meines, ein Einzelschicksal. Das Ziel der Nazis war die Auslöschung aller europäischen Juden. Etwa drei Millionen Juden haben die Verfolgung und die Lager jedoch überlebt. Die meisten waren noch rechtzeitig geflohen oder nach Palästina/Israel oder in die USA ausgewandert. Einige kamen nach dem Krieg nach Deutschland zurück. Heute leben etwa 225.000 Jüdinnen und Juden in Deutschland, viele sind aus osteuropäischen Staaten in den 1990er Jahren nach Deutschland zugezogen. Von den 225.000 Juden leben ca. 100.000 religiös. Weltweit gibt es ca. 14,8 Millionen Juden, also 0,19 % der Weltbevölkerung. Eine erstaunlich geringe Zahl, oder?

Warum gibt es diesen internationalen Holocaust-Gedenktag bis heute? Warum reden wir immer noch von diesen schrecklichen Geschehnissen, diesen Verbrechen? Nicht um einen „Kult mit der Schuld“ zu betreiben, wie es die rechtsextrem Gesinnten gerne behaupten. Sondern weil sich aus dieser jüngeren deutschen Geschichte eine Verantwortung ableitet, die immer wieder ins Bewusstsein gerufen werden muss, jeder neuen Generation. Die Schuld wird nicht vererbt, das geht zum Glück nicht. Aber alle, die für Demokratie und Vielfalt eintreten, die dauerhaften Frieden wollen, müssen nach Kräften dafür Sorge tragen, dass sich so etwas wie der Holocaust nicht wiederholt. Vor ein paar Jahren konnte man sich vielleicht noch fragen: Wie hat es damals bloß dazu kommen können? Heute ist die gruppenbezogene Bedrohung von Juden oder Muslimen in Deutschland mit Händen zu greifen. Viele jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger erwägen, aus Deutschland wegzugehen, sie fühlen sich vom Hass der neuen Rechten bedroht. Seit den barbarischen Terrorangriffen der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem folgenden Gaza-Krieg gab es innerhalb eines Jahres einen drastischen Anstieg von antisemitischen Straftaten um 83 Prozent, insgesamt 4.782 Vorfälle. Antimuslimische Vorfälle waren es in demselben Jahr 1.926. Beide Zahlen sind mehr als alarmierend! Man kann zu Israel und seiner Politik seit dem Überfall ganz unterschiedlicher Meinung sein: Aber nichts rechtfertigt Übergriffe auf Juden in Deutschland, sie haben mit dem Geschehen in Israel und Gaza nichts zu tun. Das gilt genauso für Muslime, die friedlich unter uns leben. Auch sie können z.B. nicht verantwortlich gemacht werden für die Taten von extremistischen Islamisten, die bereit sind, für ihren Glauben zu töten.

Wir können nur zu einem guten Zusammenleben aller Gruppen beitragen, wenn wir ins Gespräch miteinander eintreten und Interesse am anderen zeigen - und selbstkritisch die eigenen Vorurteile hinterfragen.

P. Christoph Tischmeyer

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