
Die neue Wärme in unserer Kirche St. Johannis in Schnarup-Thumby
21.06.2024
Körpernah, mit „grünem“ Strom, nur zu Nutzungszeiten
Vorgeschichte
Eigentlich war „nur“ der Dachstuhl über dem großen Saal unserer St. Johanniskirche in Schnarup-Thumby instand zu setzen. Ein notwendiges Vorhaben, das wir, unterstützt vom Kirchenkreis, angingen nach dem Motto: „Watt mutt, dat mutt“.
Auf dem Weg, der uns von ersten Planungen und Berechnungen der Bauingenieure über Expertisen verschiedener Sachverständiger, über handwerkliche Ausführungsdetails und über kleinere und größere Überraschungen bis zur Fertigstellung führte, tauchten wir zunehmend fasziniert ein in eine Welt unterschiedlicher Betrachtungs- und Herangehensweisen, neuer und alter Techniken, neuer und alter Materialien, in eine Welt zwar bekannter, aber nicht allgegenwärtiger Aspekte.
In unseren Diskussionen mit Ingenieuren, Sachverständigen und Handwerkern wurden viele Aspekte betrachtet und viele Gedanken verworfen, bis sich die jeweils am geeignetsten erscheinende Lösung herauskristallisierte.
Im Rahmen der Instandsetzung unserer Kirche kreisten die Gedanken immer auch um den betagten Ölbrenner im Keller unter dem Vorhaus, um die wohl noch älteren Vor- und Rücklaufleitungen und um die alten Wandheizkörper, die als Konvektoren zwar für Luftumwälzung und Staubverteilung sorgten, aber nie eine Temperatur erzeugten, die über längere Zeit als angenehm empfunden wurde.
Favorisierten wir zunächst noch eine Warmwasser-Pelletheizung, die in Nichtnutzungszeiten eine Grundwärme von ca. 6 bis 8° C erzeugt und vor Veranstaltungen „hochgefahren“ wird, so rieten mehrere Heizungsinstallateure, unabhängig voneinander und mit gleichen Argumenten, von der Pelletheizung „nur für die Kirche“ ab (extrem ungünstige Betriebsweise/Auslastung des Brenners, Notwendigkeit zum Umbau des vorhandenen Schornsteines und Notwendigkeit zur Errichtung eines Pelletlagers) und schlugen eine Gas-Brennwerttherme als Wärmeerzeuger vor.
Da wir uns gedanklich mit der Pelletheizung schon auf den Weg in Richtung Klimaneutralität gemacht hatten, wollten wir jetzt nicht mehr auf einen fossilen Heizenergieträger für unsere Kirche zurückgreifen.
Bestärkt durch Expertisen von Sachverständigen, Orgel und Kunstwerke erlitten auch bei Minustemperaturen keinen Schaden, verabschiedeten wir uns auch von einer Grundtemperierung der Kirche in Nichtnutzungszeiten und wendeten uns „grünem Strom“ als Energieträger zur „Beheizung“ der Kirche nur zu Nutzungszeiten zu.
Wir dachten an beheizte Sitz- und Rückenbankpolster, die, unterstützt von mobilen IR-Strahlungs- und Unterbank-Elementen, körpernahe Wärme erzeugen.
Planungsphase
Nachdem Energieversorger und Elektriker bestätigten, dass der überschläglich ermittelte Leistungsbedarf aller Heizenergieverbraucher von 25 bis 30 kW abgedeckt werden kann, ging es an die Planung.
Für die anschließenden Berechnungen nahmen wir 45 Veranstaltungen pro Jahr mit Heizwärmebedarf und eine Veranstaltungsdauer von bis zu 3 Stunden an. Ferner nahmen wir an, dass bei 15 Veranstaltungen die Kirche voll besetzt ist, bei weiteren 15 Veranstaltungen zu 2/3 und bei weiteren 15 Veranstaltungen zu 1/3.
Entsprechend wurden im Kirchsaal 3 Bankgruppen gebildet, deren Heizelemente (Sitz- und Rückenpolster und Unterbank-Elemente) bankgruppenweise ein- bzw. zugeschaltet werden können.
Aufgrund geringerer Frequentierung erhielten die Bänke im Chorraum nur Sitz- und Rückenheizpolster.
Mobile IR-Heizelemente spenden zusätzlich dort Wärme, wo sie, je nach Art der Veranstaltung, erwünscht ist. Ein kleiner Heizteppich im Bereich der Orgel und eine Orgelbankheizung runden das Wärmekonzept ab.
Klima- und Verbrauchskostenbilanz
Verbrauchten wir bislang 2.500 Liter Heizöl im Jahr, was einer CO²-Emission von ca. 7.800 kg entspricht, so reduziert sich die CO²-Emission bei Verwendung von zertifiziertem Öko-Strom nun auf ca. 110 kg bei einem Verbrauch von ca. 2.700 Kilowattstunden pro Jahr.
Waren bislang für die Beheizung ca. 2.300,-- € pro Jahr aufzuwenden, bei 0,90 € pro Liter Heizöl, so werden es künftig ca. 1.100,-- € pro Jahr sein, bei 0,40 € pro Kilowattstunde.
Anlagenkosten
Die Kosten der bis Dezember 2022 installierten Anlage beliefen sich insgesamt auf ca. 68.700.-- € inkl. MwSt.
Hiervon entfielen auf Sitzbankheizpolster für 62 Bankmeter ca. 24.600,-- €, auf 38 Stück Unterbankheizelemente für 19 Bänke ca. 12.500,-- €, auf 4 Stück mobile Heizelemente ca. 3.000,-- €, auf Orgelbankheizelement und Heizteppich ca. 600,-- €, auf Elektroinstallationen (Zählerschrank, Anschlussleitungen, Verdrahtung) ca. 18.300,-- € und auf die Montage der Heizelemente an den Bänken ca. 9.700,-- €.
Die Finanzierung gelang durch Zuwendungen der „BINGO!-Projektförderung“, des Klimaschutzfonds der Landeskirche und des Klimafonds des Kirchenkreises, die unsere Eigenmittel nicht unerheblich ergänzten.
Erster Gottesdienst mit körpernah erzeugter Wärme
Der Gottesdienst am 4. Advent 2022 wurde im Beisein von Propst Helgo Jacobs gefeiert. Obwohl der 18.12.2022 einer der kältesten Tage des Jahres war (minus 8 Grad), blieben viele Besucher zum Gedankenaustausch im Anschluss an den Gottesdienst.
Erfahrungsbericht
Die Sitz- und Rückenpolsterheizung funktioniert gut. Manch einem war es zu warm. Durch eine Nachjustierung der An-/Austaktung konnte hier Abhilfe geschaffen werden.
Trotz der Unterbankheizelemente gibt es vereinzelte Klagen über kalte Füße.
Obwohl es sich auch in der kalten Jahreszeit mit einer Decke über den Beinen gut in der Kirche aushalten lässt, haben wir doch entschieden, die Gottesdienste in den Wintermonaten im Gemeindehaus gegenüber zu feiern.
Ein Problem ist die hohe Raumluftfeuchte von ca. 80%. Hier schafft der Raumluftentfeuchter Abhilfe, der seit Februar 2024 in Betrieb ist.
Fazit
Das neue Beheizungssystem ist nicht „das Ei des Kolumbus“. Es wird von den Besucherinnen und Besuchern etwas schleppend angenommen, weil sie einen gewärmten Raum um sich gewöhnt sind; an kalten Wintertagen sieht man beim Singen den eigenen Atem. Während in den Wintermonaten die meisten Gottes-dienste im Gemeindehaus stattfinden, ist die neue Sitz- und Rückenheizung bestens geeignet, den Aufenthalt in der Kirche im Frühling, Sommer und Herbst sowie in milden Wintern angenehm zu gestalten.
Kay Pintat-Witt, Begleitender Architekt, Kirchenkreis Schleswig-Flensburg
Christoph Tischmeyer, Pastor in der Kirchengemeinde Angeln-Süd / Ortskirche Thumby-Struxdorf