Das mittelalterliche Triumpfkreuz

Die  Kirche in Munkbrarup gehört zu den vier Granitquaderkirchen, die im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts in Angeln erbaut wurden. Sie enthält noch zwei Einrichtungsgegenstände aus der Erbauungszeit – den wuchtigen Steinaltar und die berühmte Löwentöter-Taufe.

Der Blick der Kirchenbesucher drängt aber auf das mächtige Triumphkreuz über dem Altar. Seine Abmessungen, 4 Meter  hoch und 2,80  Meter breit, sind für eine Dorfkirche ungewöhnlich. Vergleichbare Kreuze in Angeln sind erheblich kleiner. Es kam vermutlich 1582 nach Munkbrarup. Eine alte Eintragung im Vorsatz des ältesten Munkbraruper Kirchenbuches von 1677 bezeugt: „Anno 1582 hefft S.F.G. do de olde Karke in unerm Caspel Brarup – wedderumb eine  schöne nye Karke – mit schönen vasten  Mühren, Gewöllfen, Altar, Finstern Klöocken und mitallen Thobehör ghantz herrlich  opbugen „und vor nyen lathen.“ (Chronik der Kirchengemeinde Munkbrarup, Anno 1898 begonnen, S.10).

Im Jahr 1565 brennt die Kirche nach einem Blitzschlag aus. Der Gottesdienst der Munkbraruper Gemeinde wird danach in der langsam verfallenden Klosterkirche des Rude-Klosters (Rus Regis) im heutigen Glücksburg gefeiert. Herzog Friedrich der Jüngere übernimmt 1582 das säkularisierte Kloster mit den Ländereien. Er gibt den Auftrag, das ab 1209 erbaute Kloster abzureißen und an seiner Stelle ein Schloss zu bauen, das spätere Wasserschloss Glücksburg.

Zunächst jedoch muss für das Kirchspiel die Munkbraruper Kirche restauriert werden. Der Schloss-Baumeister Carries bekommt auch dazu den Auftrag. Noch heute zeugen ehemalige, zum Teil überbaute Fensternischen, dass damals in der Brandruine die Außenwände noch erhalten waren. Beim Wiederaufbau erhält die Kirche statt der ursprünglichen Balkendecke ein Kreuzgewölbe in der gleichen Form wie im später erbauten Glücksburger Schloss.

Sie wird teilweise aus den Beständen des aufgelösten Rude-Klosters in Glückburg ausgestattet. Wahrscheinlich erbitten sich die Gemeindeglieder für ihre renovierte Kirche das Vierungskreuz des Klosters, unter dem sie 17 Jahre ihre Gottesdienste hielten.

Die Herkunft aus dem Kloster erscheint plausibel: Noch heute finden sichin vielen Zisterzienserklöstern stattliche Vierungskreuze. (So in Lügumkloster, Loccum, Himmerod u.a.). Schwierig wird es gewesen sein, einen passenden Platz für das Kreuz zu finden.

Die Ausmaße der ehemalige Klosterkirche sind seit den Bodenuntersuchungen im Schlossteich im Jahre 2006 bekannt: Die Kirche weist mit 63 Metern Gesamtlänge Basilika-Ausmaße auf. Andere noch erhaltene Zisterzienser-Kirchen aus dieser Zeit haben eine stattliche Höhe, auf jeden Fall erheblich höher als die nach 1582 eingewölbte Dorfkirche.

Bis 1937 hängt das Kreuz meistens vor dem Chorbogen. Noch vorhandener Schriftwechsel im Archiv der Kirchengemeinde  belegt den Versuch der Gemeinde, für das Kreuz einen anderen Platz zu finden. Am ursprünglichen Ort stört es den freien Blick auf den Altar und wohl auch auf den Pastor.


LDSH PK III 3065 Munkbrarup, Kirche, Triumphkreuz, Holz, h 400, Ende (ZV 1156) 15.Jh., Aufn. 1953.

Die Chronik nennt noch einen weiteren Grund: Es „kam nicht wieder an seinen alten Platz, weil die Kirche durch den ungehinderten Einblick ins Chor bedeutend gewann.“(Chronik,S.17)

Nach der Renovierung von 1899 beschließt der Kirchenvorstand, das Kruzifix statt vor dem Chorbogen nun an der Nordwand der Apsis aufzuhängen. Erstaunlich ist, dass im Jahre 1913, nach einem Pastorenwechsel, das Kreuz im Zuge einer Renovierung doch wieder an seinen ursprünglichen Platz vor dem Chorbogen zurückkommt.

1937 wird die Munkbraruper Kirche grundlegend renoviert, das Kreuz abgenommen und restauriert. Dabei werden siebenalte Farbschichten entfernt  und die ursprüngliche - also die erste Farbschicht - der heutigen Fassung zugrunde gelegt.

Fotos des Landeskonservators von 1937 zeigen das erstaunliche Ergebnis. Die plastische Darstellung des Gekreuzigten wird auf der Rückseite malerisch wiederholt. Wie die Rückseite vorher aussah, ist nicht bekannt. In der Chronik wird nur berichtet: „… das Triumphkreuz soll in Schleswig von Herrn Kunstmaler Fey untersucht und möglichst in ursprünglicher Form wiederhergestellt werden. Zeigt auch die Rückseite wertvolle alte Malereien, soll das Kreuz über dem Altar aufgehängt werden, so dass es auch von der Rückseite betrachtet werden kann.“ (Chronik, S.280)

Die bisher nicht sichtbare Zweiseitigkeit Christi am Kreuz war für das Klosterleben wichtig: So wird Christus für den gesamten Konvent sichtbar, sowohl vom Langschiff als auch vom Chorraum aus.

Dietrich Ellger, Bearbeiter der „Kunstdenkmäler des Landkreises Flensburg, Deut. Kunstverlag 1952“, beschreibt Vorder- und Rückseite des Kreuzes ausführlich: „Das große Brettkreuz aus 8 cm starker Bohle, auf der Vorderseite in flachem Relief der Lebensbaum, nach beiden Seiten in dichter Folge flachgeschnitzte Dreiblätter entsendend, welche die Brettkante überschneiden, Kreuzungsstelle als Nimbus gebildet. An den Enden Vierpässe mit Evangelistensymbolen (Flachrelief), z.T. fast heraldisch klar ausgeprägt (Adler, Löwe). Der Korpus mit fast waagerechten Armen und breit gedehntem Brustkorb hängend, Oberarm- und Fußsehnen sowie Schlüssel- und Brustbein (tiefe Kerben) betont. Lendentuch mit breiten Falten, Mittel- und rechtem Seitenzipfel. Dreieckiges feingeschnittenes Gesicht nach rechts geneigt (Spitze des Dreiecks durch den Kinnbart gebildet), scharfe Nase, hohe Stirn, Augen und Mund geschlossen. Geflochtene spitzige Dornenkrone.

Auf der Rückseite des Kreuzes die Darstellung der Vorderseite gemalt, grüner Kreuzstamm, daran der bräunliche Korpus mit weißlichem Lendentuch, Evangelistensymbole auf rotem Grund, wie von der Vorderseite durchkopiert, darum auch alle seitenverkehrt.“ (Ellger, 1952, S.239f.)

Nach der Renovierung kommt das Kreuz nicht an seinen alten Platz zurück. Der ursprüngliche Altaraufsatz wird an die Nordwand des Kirchenschiffes verlegt, und über dem alten Steinaltar findet das Kreuz seinen neuen Platz. Damit sind die früheren Probleme mit der Aufhängung erledigt.

Auf den Besucher wirkt das Kruzifix mächtig und gedrungen. Nachdem aber bei der Renovierung 1936/37 der ursprünglich gotische Chorbogen rundbogig gemacht und dabei  verkleinert wurde, ergibt sich heute ein sehr harmonisches romanisches Bild.

Bei näherer Betrachtung zeigen sich jedoch einige Unregelmäßigkeiten, die bei einem derartigen Werk nicht zu erwarten sind:

Zum einen ist der ziemlich gleichmäßige Abstand der einzelnen Drei-Blätter des Lebensbaumes  an einer Stelle deutlich verringert. Er beträgt über den letzten Lebensbaumblättern nur 15 Zentimeter.

Sonst liegt der Abstand immer bei rund 20 Zentimetern.

Die Zahlenlogik der Lebensbaumblätter ist unterbrochen. Der Betrachter spürt, dass  hier in die Symmetrie eingegriffen wurde.

Bei genauer Ansicht ist ein leichter Knick der Ausrichtung im unteren Teil des Kreuzes zu bemerken. Mit einer Verwerfung des Holzes ist diese Abweichung nicht zu begründen.

Derart aufmerksam geworden findet sich am Kreuz der Grund für die Unregelmäßigkeiten: Das Kreuz wurde oberhalb des  untersten Blattpaares (circa 79,5 Zentimeter von unten gemessen) durchgesägt. 

Gekürzter Aufsatz von Karl Nielsen, Munkbrarup.  Aufsatz vollständig im  Jahrbuch des Heimatvereins der Landschaft Angeln 2013 - Seiten 140 – 148.