
Zuhören und helfen - so unterstützt die Diakonie in Schleswig-Flensburg ukrainische Geflüchtete
03.03.2023
Sie sind vor Monaten vor dem Krieg in ihrer Heimat geflüchtet: Tausende Frauen und Kinder aus der Ukraine haben in Schleswig-Holstein eine Zuflucht gefunden. Doch immer noch gibt es viele Herausforderungen für sie – jetzt hat die Diakonie im Kirchenkreis Schleswig-Flensburg ein neues Hilfsangebot aufgesetzt.
Schleswig. „Ich dachte, wir würden im Mai zurückgehen können“, erinnert sich Ganna Lochokka. Sie war am 11. März mit ihrem Sohn Igor aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet, nachdem Russland das Land angegriffen hatte. Doch immer wieder verschob sich die Abreise. Dann wurde ihr bewusst: Sie kann es selbst nicht steuern, sie ist gezwungen, abzuwarten, bis der Krieg in ihrer Heimat beendet ist. Als Geflüchtete seien sie in Schleswig-Holstein zwar gut aufgenommen worden – doch die Angst um die Verwandten zuhause bleibt. Und die Erfahrungen durch Vertreibung und Flucht belasten die Seele.
Die deutsche Sprache ist ein Problem und es gibt viele Sorgen
Eines der dringendsten Probleme, mit denen die ukrainischen Familien Tag für Tag zu kämpfen haben, sei die deutsche Sprache, sagt Lochokka. „Wir haben über sechs Monate unseren Sprachkurs, aber die Leute sind trotzdem überhaupt nicht in der Lage, deutsch zu sprechen“, schildert die 41-Jährige, die zuhause als Betriebswirtin arbeitete. „Das ist für uns eine große Herausforderung.“ Hinzu kommt die Sorge darum, was in unserer Heimat vor sich geht. „Ist meine Familie noch am Leben, steht unser Haus noch? Wenn ich die Nachrichten sehe, habe ich das Gefühl, ich könnte die Situation kontrollieren – aber das ist eine Illusion, das kann ich nicht wirklich.“
Die kleine Familie stammt aus Saporischja, einer Stadt im Süden der Ukraine. Der Ehemann blieb zurück in der Ukraine, er arbeitet für die Caritas und hilft Familien, aus denen Mitglieder in der Armee kämpfen, ebenso wie Menschen aus den ehemals russisch besetzten Gebieten. Vermisst sie ihn? „ja natürlich, wir haben uns bereits über ein Jahr lang nicht gesehen.“
Einmal in der Woche: Gruppentreffen für ukrainische Geflüchtete
Wie Ganna und Igor geht es vielen ukrainischen Geflüchteten. Um deren Situation zu verbessern, bietet das Diakonische Werk des Kirchenkreises Schleswig-Flensburg ab sofort eine psychosoziale Unterstützung an, um diese Probleme zu bewältigen: In Schleswig und Flensburg sind einmal in der Woche Familien mit Kindern, Jugendlichen und deren Mütter eingeladen, sich kennenzulernen, zu spielen und, wenn gewünscht, auch in Einzelgesprächen über das Erlebte zu sprechen. Und zwar in russischer Sprache: Eigens dafür stehen zwei Frauen zur Verfügung, die fließend russisch sprechen.
„Die Menschen leben in zwei Welten“, erläutert Christine Le Coutre, die die diakonische Erziehungs- und Familienberatung in Schleswig leitet: „Zu realisieren, dass der Aufenthalt hier mehr Zeit in Anspruch nehmen würde als bisher gedacht, ist vielleicht eine der größten Herausforderungen für die Geflüchteten.“ Das russischsprachige Gruppentreffen soll Abhilfe schaffen – und einen Zugang zu den Menschen, die solche Angebote kaum gewohnt sind.
Es gehe darum, einen Raum anzubieten für Mütter, um über ihre Erfahrungen seit der Flucht sprechen zu können, und ihre Kinder, miteinander zu spielen. Le Coutre: „Wir wollen die Menschen mit dieser traumasensiblen Gruppe stärken und ihnen klar machen: Sie haben nicht nur vieles verloren, sie haben auch Ressourcen, die sie nutzen können, um ihre Situation selbstwirksam zu verbessern.“ Zwei Frauen sprechen dazu mit den Menschen auf Russisch, dienstags in dem Angeliter Ort Süderbrarup, donnerstags in Schleswig. Durchschnittlich acht Menschen kämen bislang, so Le Coutre. Das Angebot spiele sich gerade ein.
Bürokratie in Deutschland für ukrainische Geflüchtete nicht einfach
Auch die hiesige Bürokratie sei ein Problem. „Für uns ist vieles nicht logisch – aber ich mag es oft nicht ansprechen, weil ich mich von diesen Behörden abhängig fühle. „Wenn wir mit öffentlichen Stellen zu tun haben, wissen die Mitarbeiter manchmal gar nicht, dass es uns gibt.“ Vielleicht rührt das daher, weil Ganna Lochokka und ihr Sohn so früh hierher kamen: Offenbar wurden sie anfangs nicht registriert – das wirke sich bis heute aus, so Lochokka, etwa bei der Krankenversicherung.
Auf der anderen Seite gebe es in Deutschland auch manches Neue, das die Flüchtlinge lernten. Die Deutschen hätten beispielsweise ein gutes Benehmen, seien höflich. „Zum Beispiel, wenn die Menschen sich hier einen Guten Morgen wünschen – das gibt es oft nicht in der Ukraine. „Das sollten wir mit zurück in die Ukraine bringen“, wünscht sich Ganna Lochokka.
Eine Anmeldung zu den kostenfreien Treffen ist notwendig. Mehr Infos erhalten Sie unter Telefon 04621 - 381152.
Siehe auch: Beratungsstellen der Kirche in Schleswig und Süderbrarup begleiten ukrainische Familien
Quelle: Thorge Rühmann, Evangelische Zeitung